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Vierter Hilfseinsatz in Sumbawanga

"Wartezimmer" des Augencamps am Atiman Hospital Dr. Paust untersucht eine Patientin mit der Spaltlampe

Deutsches Ärzteteam reist nach Tansania, um Hunderte Menschen augenärztlich zu behandeln und zu operieren

1.000 untersuchte Patienten und mehr als 200 operierte Augen – so liest sich die Bilanz des vierten OP-Camps in Sumbawanga. Anfang April hatten sich erneut zehn Augenärzte aus Deutschland auf den Weg ins medizinisch unzureichend versorgte Tansania gemacht, um Menschen vor Ort eine augenärztliche Behandlung zuteilwerden zu lassen. Zum Medizinerteam gehörte auch Dr. Karsten Paust, der uns nach seiner Rückkehr einen ausführlichen Bericht über das Projekt und die aktuellen Entwicklungen zukommen ließ.

 

Ärztemangel in Sumbawanga

„Seit Jahren lebt und arbeitet Steven Maufi als einziger Cataract Surgeon in Sumbawanga (Rukwa Region) im Südwesten Tansanias. Dort werden mindestens sechs Augenärzte (Cataract Surgeons) sowie weitere zehn Optometristen und Ophthalmic Nurses (Optiker und augenärztliche Assistenten) gebraucht“, beschreibt der Augenarzt die Lage.

Der Not folgend hat das Deutsche Komitee zur Verhütung von Blindheit (DKVB) im November 2017 an einem kirchlichen Krankenhaus (Atiman Hospital) in Kooperation mit Interplast ein Augencamp eingerichtet, bei dem zweimal im Jahr für zwei Wochen Patienten augenärztlich untersucht und gegebenenfalls auch direkt operiert werden. Einheimische und deutsche Mitarbeiter arbeiten Hand in Hand, um den Menschen zu helfen. „Zwischen 800 und 1.000 Patienten kommen teilweise von sehr, sehr weit her. Bestürzend sind die zahlreichen und schweren Erkrankungen.“ 1stQ unterstützt das Sumbawanga-Team um Dr. Paust seit 2017 mit der Spende von Intraokularlinsen, Instrumenten und Flüssigkeiten für die Augen-OPs.

 

Nachhaltige Perspektive

Zudem hat das Komitee im April 2018 begonnen, einheimische Mitarbeiter im Bereich der Augenheilkunde auszubilden, um einen ausreichenden Personalstamm für eine geplante Augenklinik in Sumbawanga aufzubauen. Das DKVB finanziert und unterstützt die Ausbildung der medizinischen Mitarbeiter, um dem Projekt eine dauerhafte und nachhaltige Perspektive zu geben.

 

Ankunft in Sumbawanga

Doch auch bei den OP-Camps können die Ärzte viel erreichen. „Nach 36-stündiger Anreise von Köln über Zürich, Dar es Salaam und Mbeya erreicht das zehnköpfige Augenteam an einem Sonntagabend Sumbawanga. Im Vorfeld gab es wieder ein Announcement. 600 Patienten haben sich vor Beginn des Camps in eine Liste eingetragen. Die Anmeldung erfolgte meist telefonisch“, berichtet der Bonner Augenarzt über das letzte OP-Camp im April. Am nächsten Morgen steht zunächst der Aufbau von Ambulanz und OP auf dem Programm, bevor um 10:30 Uhr die ersten Patienten untersucht werden können. Am Nachmittag führen die Ärzte bereits Operationen durch.

„Das Personal des Atiman Hospital ist unglaublich motiviert, vor allem die drei neuen Ophthalmic Nurses leisten tolle Arbeit: Greter macht die Sehtests, John biometriert, Susan assistiert im OP. Viele andere lokale Mitarbeiter helfen bei der Übersetzung: Gregory aus der Anästhesie, Alkado aus dem Labor. An der Anmeldung sitzt Edward mit Annika, Anne und Barbara.“ Am zweiten Camp-Tag stößt zudem der lokale Cataract Surgeon Steven Maufi zum Team.

 

Erschreckende Krankheitsbilder

Erneut werden die Ärzte mit zahlreichen erschreckenden Krankheitsbildern und traurigen Schicksalen konfrontiert. Besonders im Gedächtnis bleibt unter anderem ein zweijähriges Kind mit einer zwei Wochen alten perforierenden Hornhautverletzung, bei der das Irisgewebe die Verletzung von innen tamponierte. „Wir operieren sie am Folgetag in Vollnarkose. Die Reposition der Iris gelingt nicht. Letztlich legen wir ‚nur‘ eine optische Lücke an, damit wir das Auge wieder gut sehen können“, erzählt Dr. Paust. Einige Tage später ist das Kind weg. „Manchmal gehen Patienten einfach nach Hause.“

Ein weiterer Patient muss zunächst vom zweiten einheimischen Cataract Surgeon Eric „überzeugt“ werden, seinen grauen Star (blinding cataract) operieren zu lassen. „Der Patient willigt ein, zögert aber dann doch kurz, als Eric sagt, er könne nach einer erfolgreichen Operation seine Ehefrau wieder besser sehen – Honi soit qui mal y pense“, schreibt Dr. Paust.

 

Unwetter stellt Ärzte vor Herausforderungen

Die Abläufe in Ambulanz und OP funktionieren sehr gut. Dennoch stellt das eine oder andere Problem die Ärzte vor Herausforderungen: „Am zweiten Tag fegt ein Blitzschlag Stefan und mich fast von der Spaltlampe weg. Es regnet ausgiebig, Teile des Wartebereichs und der Voruntersuchung werden auf andere (trockene) Bereiche des Klinikgeländes verlegt.“ Zudem fehlen dem Hospital Reagenzien für die Blutabnahme – es mangelt an einfachsten Dingen.

„Für das nächste Camp planen wir, das Pre-Screening von den drei Ophthalmic Nurses durchführen zu lassen. Deren aktueller Ausbildungsstand reicht dieses Mal noch nicht aus.“

 

Zahlreiche erfolgreiche Behandlungen

Das Ärzteteam darf sich aber auch über Erfolge freuen: „Es kommt ein Kind aus Sumbawanga, das Eric im März in Ilembula mit einer durchgreifenden Augenverletzung versorgt hatte. Die Familie hatte sich seinerzeit auf die 500 Kilometer lange Reise gemacht. Der Befund ist prima.“

Nach der Vormittagssprechstunde am Wochenende legt das Team eine kleine Verschnaufpause ein und fährt an den Tanganyika-See.

Zu Beginn der zweiten Woche ist der Andrang der Patienten deutlich geringer. „Zehn Katarakt-Patienten sind nicht zur OP gekommen. Das ist erst einmal nicht einzuordnen: Vielleicht lag es am Ende der Regenzeit mit erschwerter Anreise. Schließlich hat es viel geregnet am Wochenende. Oder an der beginnenden Osterzeit? Alles Spekulation.“

 

Ein Huhn als Dankeschön

Eine Patientin schenkt Dr. Paust als Dank für die Behandlung ein (lebendes) Huhn. „Ich bin gerührt und übergebe es an Schwester Mary. Das Huhn überlebt nicht.“

Doch auch in der zweiten Woche sehen die Ärzte erschreckende Krankheitsbilder. Unter anderem kommt ein Häftling aufgrund einer durchgreifenden Pilzinfektion ins OP-Camp. Die Ärzte müssen bei ihm eine Augapfelentfernung durchführen.

Am nächsten Tag begleitet Dr. Paust das Team von Interplast bei der Visite: „Ich sehe einen Patienten nach Schlaganfall, beidseitig grauer Star. Zwei Betten weiter liegt ein Patient, der am einzigen Auge ebenfalls den ‚blinding cataract‘ aufweist.“ Beide Patienten werden noch am gleichen Tag operiert. „Am Nachmittag sucht uns ein 15-jähriges Mädchen mit einem weit fortgeschrittenen, das Gesicht komplett entstellenden Rhabdomyosarkom auf. Ein schreckliches Schicksal.“

In Erinnerung bleibt auch eine Patientin, die wegen eines bösartigen Bindehauttumors operiert wird. „Der bei HIV-positiven Patienten oft auftauchende Bindehauttumor füllte die gesamte vordere Augenhöhle aus, verdrehte das Auge nach oben und verdrängte es nach hinten. Der Augapfel ist nicht zu retten“, berichtet Dr. Paust.

 

Bei einem weiteren Patienten wird nach einem zehn Tage zurückliegenden Verkehrsunfall mit fast komplett abgerissenem Unterlid eine erfolgreiche Lidrekonstruktion durchgeführt.

 

Ausbildungsförderung vorantreiben

Beim vierten OP-Camp konnten aber nicht nur Patienten behandelt und operiert werden. Auch die Ausbildungsförderung wurde weiter vorangetrieben: „Nach Gesprächen mit der Regierung, Krankenhausverwaltung, Koordinatoren und DKVB haben wir die Zusage für mindestens zehn Ophthalmic Nurses, die auf die vier District Hospitals verteilt werden, vier Cataract Surgeons, einen Medical Officer of Ophthalmology (entspricht dem deutschen Facharzt) und zwei bis vier Optometristen“, so Dr. Paust. Bis dato hatte die Region einen Cataract Surgeon, zwei Optometristen und drei Ophthalmic Nurses. Zudem haben bereits drei zusätzliche Ophthalmic Nurses im Dezember 2018 ihr Diplom durch das DKBV unter Mithilfe der Krankenhausverwaltung abgelegt.

 

Dank an Freunde und Unterstützer

„Ich bin sehr froh über die Entwicklung dieses Projektes. Dass es so gelingt, liegt an einer großen Menge an Freunden und Unterstützern. Das sind die vielen Eye Health Workers in Sumbawanga, das Team von Interplast unter Marcus Strotkötter“, berichtet Dr. Paust. „Das sind Freunde, Familie und Kollegen hier in Deutschland, die mir Zeit und Unterstützung für Sumbawanga schenken. Das ist jedes mitreisende Augenteam – jedes für sich ist spitze! Das sind die vielen Sponsoren. Auf Euch alle werden wir, das DKVB und die Patienten in Sumbawanga noch einige Jahre angewiesen sein. Zu Kosten wird vor allem die Ausbildung der Eye Health Workers auf unterschiedlichen Ebenen führen. Das Projekt ist so geplant und aufgestellt, dass eine nachhaltige Struktur entsteht. Alles andere macht keinen Sinn.“

1stQ unterstützt das Projekt in Sumbawanga von Anbeginn und wird den erfolgreich eingeschlagenen Weg zusammen mit Dr. Paust und dem DKVB weiter gehen. Wir veröffentlichen sonst keine Spendenaufrufe auf unserer Seite, machen in diesem Fall aber gerne eine Ausnahme. Falls Sie dieses großartige Projekt unterstützen möchten, haben Sie die Möglichkeit, zu spenden.

Die Kontoverbindung des Spendenkontos lautet:

DKVB, Verwendungszweck: Sumbawanga

Commerzbank Würzburg, IBAN: DE91 7904 0047 0692 2223 00 .

Für weitere Informationen senden Sie eine E-Mail an: info@dkvb.org oder paust@netcologne.de.